Lyrisches von Helmut Maier

Monat: Juli 2007 (Seite 1 von 2)

Vom Baum der Erkenntnis – Spiegel (u.ä.)-Ecke, weitere Folge

Früchte des Paradieses
Vom Baum der Erkenntnis
Des Guten und Bösen
Scheint der neueste Spiegel
Genossen zu haben.

Und das Urteil müsse nicht sein:
Vertrieben und blind,
Sondern fragend und wissend
– folge man nur
Den Urschlüsseln des Zugangs:
Recherche und Annahme
Der Frucht:

Moralische Grundmuster
Schon im Gehirn
Vorgefertigt instinkthaft:

Es ist Dir gesagt, Mensch,
Was gut ist
Und was das Menschsein erfordert.

Ist der Ort des Gefühles dafür
Einmal zerstört,
Gelingt auch ein
Anerkanntes Urteil
Nicht mehr.

Ist das nun so?
Genügt uns ein einziges
Interview-Streitgespräch
Schließlich
Zur Annahme
Dieses wohl
Oder Jenes?

Dies ist ein Kommentar zu dem Spiegel-Titelthema „Das Böse im Guten“ vom 30.7.07.
Das Streitgespräch hat der Spiegel zwischen dem Hirnforscher Hans Markowitsch und dem Sozialwissenschaftler Philipp Reemtsma arrangiert.
Über meinen obigen Kommentar hinaus ist mir noch interessant, dass die Recherche des Spiegel sich in einem Punkt mit dem Ergebnis eines psychologischen Kongresses der Telefonseelsorge weltweit in Prato (Toskana) letzten Monat deckt: nämlich dass die Gefühle bei allem Verhalten von Menschen (und auch die Möglichkeit verschüttete positive Gefühle wieder neu zu lernen) eine zur Zeit noch zu sehr unbeachtete Rolle spielen.

Transfer

Lassen sich Seifenblasen
fotografieren?
Bei Regenbogen
gelingt es,
das weiß ich.
Und Träume lassen sich
in Gedichte transferieren.
Und bleiben so
erhalten.

Verwirrung – 2. Fassung

Radrennfahrer
positiv getestet.
Politiker
positiv getestet.
Gläubiger
positiv getestet.
Wirtschaftsunternehmen
positiv getestet.
 
Doping.
Korruption
Fundamentalismus.
Umweltverschmutzung.
 
Was ist daran
positiv? 

Sternennacht

Der Fotoapparat, auf dessen Chip dieses Foto gespeichert war, hat sich wieder finden lassen. So kann ich das Bild jetzt präsentieren. Und hier noch einmal das dazugehörige Gedicht

Wo die Liebe hinfällt

Sage mir keines von Euch:

Ein ästhetisch gesinnter Mensch

frisst nicht.

*

Ich nämlich habe einen Narren gefressen

an den Nachtkerzen

in unserem Gärtchen.

*

Nicht dass mich die schlaff

herabhängenden,

ausgelutscht aussehenden

verblühten hautfarbenen Dinger da,

die vor nicht viel mehr als einem Tag

Blütensterne noch waren,

noch irgendwie anmachten.

*

Nicht dass der sonnigste Platz in unserem

Rasen – nein: so kann man ihn allerdings

wirklich nicht nennen –

anderen Blumenrabatten nicht auch gut bekäme

und der Lavendelstrauch nebenan

nicht in unglücklicher Ausweichbewegung

seiner seitlich abgespreizten Blütenstängel

die Steinplatten-Tritte des Wegs

zum schattigen Birkenplätzchen

versperrte.

*

Doch diese Sterne, die bei Einbruch jeder Nacht

gelb zu strahlen beginnen, zu leuchten, zu jubilieren

und noch in den nächsten Tag hinein sich bewahren

dem liebenden Blick, dem verzückten –

*

wie sollte ich ihnen da wehren,

ihre Kolonie zu behaupten,

die sie einmal erobert?

Neue Spiegel (u.ä.)-Ecke, zweite Folge

Undefinierte Größe

„Hunderte von Zuschauern, darunter auch Familien, verfolgten in der Nacht zum Sonntag die Aktion“, wie der neue Pliensausteg über die Bahngleise in Esslingen gehievt wurde. So berichtet heute die EZ (Esslinger Zeitung) auf der ersten Seite.
Die Definition des Begriffs Familie, bzw. die Recherche-Methode, wie Familien identifiziert wurden, verschweigt die EZ geflissentlich …

Wobei die Frage bleibt, welche Information durch „darunter auch Familien“ überhaupt vermittelt werden sollte.

Zwischen Seano und Artimino

Wegwartenzeit ist früher
und üppiger gemalt
hier im Etruskerland
als auf den Höhen
zwischen Fils und Rems.
Und Wein wächst zwar
an beider Hängen.
Bienengewimmel auch
am Lavendel.
Doch Milde der Oliven
ist nur hier zuhaus.

Die Mediceer-Villa öffnet sich
dem fremden-Schmuck-ersehnenden
Etruskerfreund
und taumelnd lässt der sich
entführen
in weit entfernte Welten
der Kultur.

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