Lyrisches von Helmut Maier

Monat: Oktober 2007

Nachwuchs

Mein Enkeltöchterchen Cleo (seit kurzem 4 Jahre alt) aus Magdeburg ist auf einem der seltenen Besuche bei uns in Aichwald. Im Wohnzimmer hat sie ein Schneckenhäuschen in der Hand und ich höre sie vor sich hin deklamieren:

„Schnecke, Schnecke, komm heraus
aus Deinem Schneckenhaus!“

Sie betont die Trochäen deutlich – in der zweiten Zeile mit ‚aus‘ als Auftakt.
„Das reimt sich“, sagt sie mehr zu sich selber. Dann rennt sie zur Tür und ruft zu ihrer Mutter (unserer Tochter) zwei Stockwerke im Reihenhaus höher:

„Mammi, Mammi, ich habe ein Gedicht gereimt!“ und sie wiederholt ihr ‚Gedicht‘.

Frühe

In grauen Schleiern
lagern sich die Schichten
meiner morgenfrischen Fragen.

Sonnendurchtränkt
bezaubern sie schon
mein Ahnen.

Noch pflück ich
das geheime Wort
nicht von der Erwartungswiese.

Rot steht nachher
und golden
der Sonnenball der Verheißung
dort im Dunst.

Impressionen eines Nachmittagsbummels

Aussicht

Die Platanen,
deren Muskelspiel
ich misstraute
in meinen jungen Tagen,
das Gelb ihres Laubs
leuchtet so lieb
in der Sonne
des Herbstes.

Aussichten

Der Mercedes-Stern
(auf dem Turm des Hauptbahnhofes),
so schnell ging er unter,

als ich von der
Aussichtsplattform
oben im Kunstmuseum
am Schlossplatz

mit dem AUFzug
nach unten fuhr.

April im Oktober

Die Hagelkörnchen
meines fast verflogenen
Ärgers
über mein Abtauchen ins Business
hinter dem Königsbau:
da tanzen sie noch kurz
im Regenschauer
(schaurig scheint er zu sein
eine Weile)
auf dem Kopfsteinpflaster
vor dem Cafe
des Kunstgebäudes
am Schlossplatz.

Und schon scheint wieder
die Sonne.
Und das Blau des Himmels
wölbt sich mit dem Bogen
der Arkade,
in deren Schutz ich sitze.

Plötzlich dehnt es sich
über die grünen Anlagen
zwischen Schloss und Theater.

Kunst

Neben dem früheren Haupteingang
des Kunstgebäudes am Schlossplatz
auf die Travertinmauer gesprayt:

eine sehr schöne
goldgelbe Banane.
Hoffentlich bleibt sie.
(Am ehesten,
wenn sie allein bleibt)

Verhungert in Deutschland

Verhungert.
Der Fall Sascha K. aus Speyer.
Dem Fallmanager überlassen.
Keine aufsuchende Fürsorge.
Eigenverantwortung erwartet.
Eigenverantwortung vorausgesetzt.
Sonst Verhungern nicht ausgeschlossen.
Auch das ist Hartz 4.
Verhungert ist
Sascha K.

Gehört bei
SWR2 Leben
Montag, 15.10.2007 | 10.05 Uhr

Verhungert
Der Fall Sacha K. aus Speyer
Von Christine Werner

Und in wenige Wörter zusammengefasst.

Originalmanuskript hier erhältlich:

hier.

Manifestation

Ein Ereignis
während des Lichterfestes
im Elbauenpark
in Magdeburg
mit Schwedenfeuern, Laternen
und Fackeln
stellte das ganze Event
in den Schatten:
der in geschmolzenem Gold
zerfließende, spektakulär
die Silhouette des
Jahrtausendturms umzüngelnde,
aber klar konturierende

Abendhimmel.

Wandel

Die Farbe der Blätter
noch auf den Bäumen
gleicht sich immer mehr an
an die der fruchtbaren Erde.

Der Wandel
manifestiert sich.

Gleich noch eine zweite Fassung:

Wandel

Die Farbe der Blätter
noch auf den Bäumen
gleicht sich immer mehr an
an die der fruchtbaren Erde.

Der Wandel
offenbart sich.

Herbstlaunen

Der weiche Nebel.
Er will nicht weichen
eine Weile.
Er schmeichelt
meiner Haut.
Doch lässt er mich

erschauern.

Die Zuversicht
auf  trotzige Beständigkeit
verleiht mir wieder
die Standorttreue

des Semmelstoppelpilzes.

Kritiker im Wettstreit

Heute lese ich in der Esslinger Zeitung:
„Die Düsseldorfer Staatskanzlei hat einen wegen seiner ungewöhnlichen Nebentätigkeit umstrittenen Redenschreiber bis auf weiteres freigestellt. … Der Mitarbeiter von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hatte unter Pseudonym kritische Artikel über dessen baden-württembergischen Amtskollegen Günther Öttinger (beide CDU) verfasst.“

Dass Öttinger sozusagen mit Haut und Haar – oder um im Bild zu bleiben: mit Vor- und Zunahme –  CDU-Mitglied ist, schützt ihn allerdings offenbar auch nicht vor Rüttgers eigener Kritik. Der wendet sich – so erfahre ich in der gleichen EZ – gegen die Pläne der Fusion von WestLB mit der baden-württembergischen Landesbank, Pläne, die Öttinger ja bekanntermaßen betreibt.

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