Lyrisches von Helmut Maier

Einer von ihnen?

Aktiv gegen Stuttgart 21

Ich war einer von ihnen.
Durch die in Plastik gehüllten Paradiesgärten
eilte ich hin und her,
ziellos in den Schwaden des Konsumrauschs verheddert.
Fisch-Nuggets.und Cola Zero
genoss ich.
Genießen?
Das war’s eigentlich nicht.

Einen Wald, in dem ich zur Ruhe hätte kommen können,
hatte ich nicht zur Hand:
Den Termin des Protests
wollte ich nicht versäumen.
Wider alle Erfahrung
glaubte ich immer noch
an die Erfüllung der Hoffnung
„Oben bleiben“.
Also schon ein bisschen mehr
als ein Pflichttermin
war es.

Mehr Zeit bis dahin
hatte ich als üblich.
Ein anderer Termin
hatte mich später ausgespuckt
als ich mir hatte vorstellen können:
ein Strafprozess,
der Kinkerlitzchen aufbauschte
zur Staatssache.

Da irrte ich durch die Stadt,
hoffte auf Blutdrucksenkung.
Nochmal heimzugehen vor der Kundgebung
war nicht mehr drin.

8 Kommentare

  1. Michael Gertges

    Täuschung ist es, wenn ich meine, nach einer Kundgebung kundiger zu sein als vorher. Kommt aus dieser Erfahtung die Enttäuschung, die leere Zeit?

  2. Helmut

    Nein, im Gegenteil, lieber Michael. Die Enttäuschung brachte eine Gerichtsverhandlung gegen einen Freund; und die Kundgebung war in diesem Fall eine Wohltat – wie die Montagskundgebungen gegen S21 meist, da sie für unseren Widerstand (neben der kulturell oft hochstehenden Beiträge) eine Art Volkshochschule auf der Straße darstellen.

    Danke, lieber Michael, und herzliche Grüße
    Helmut

  3. Moni

    Nach so einer Gerichtsverhandlung hätte ich auch die „Abkühlung“ durch Bewegung an der Luft gebraucht. Diese Enttäuschung geht allerdings tiefer…

    Liebe Grüße
    Moni

  4. Helmut

    Danke fürs Mitfühlen, liebe Moni!

    Herzlich
    Helmut

  5. bruni8wortbehagen

    ich kann mir sehr gut vorstellen, wie gefrustet Du warst und nicht nur Du und die bitteren Gedanken kann ich sehr gut nachvollziehen.

    Leider bringen sie keine Veränderung, nur einem selbst eine Traurigkeit, die nicht gut tut.

    Sich im Recht und doch rechtlos zu fühlen, ist eine Sache, die wir schlecht verkraften, aber wenn es uns nicht gelingt, geht es uns dauerhaft schlecht und für unsere körperliche Gesundheit ist es eine sehr bittere Pille, an der wir kauen und die uns Magenschmerze und andere bereitet.

    Ich bin eigentlich ein großer Optimist und suche immer nach Erklärungen, warum es denn so ist wie es ist und möchte es verstehen, aber eine Lösung fand ich noch nie, doch ich bemerke an mir sehr deutlich, daß ich mehr erreiche, wenn ich freundlich lächeln kann, selbst wenn es mir anders zumute ist.
    Strahlende Menschen erreichen viel, die traurigen werden leicht übersehen.

    Herzliche Grüße an Dich, lieber Helmut,
    von Bruni

  6. Helmut

    Liebe Bruni,

    Wie verkraftet man es sich rechtlos zu sehen? Darf man Rechtlosigkeit überhaupt einfach „verkraften“? Ist das eine echte Freundlichkeit, wenn man lächelt, selbst wenn es einem anders zumute ist? Erreichen die Argumente der Tiefbahnhof-Gegner_innen dadurch etwa mehr trotz aller Ignorierung durch die Medien und die an ihren Machtpositionen festhaltenden Projektbetreiber, wenn die Betroffenen ihre Trauer nicht zeigen?

    Aber Du hast schon Recht: Der Konsumrausch, der sich nicht um politische Probleme schert, ist oft ein Ausdruck ungelebten Lebens. Und wie rasch auch ich da hineinschlittern könnte, macht mir zu schaffen.

    Liebe Grüße
    Helmut

  7. Moni

    Ja, Rechtlosigkeit oder auch Ungerechtigkeit „verkraften“ darf eigentlich nicht sein – aber haben wir immer DIE KRAFT dazu, unsere Trauer mit einem Lächeln zu überspielen? Vielleicht dann, wenn es ein Lächeln der Zuversicht, der Hoffnung (trotz allem) ist?

    Der Konsumrausch als Ausdruck „ungelebten Lebens“ – das ist wirklich ein Nachdenken wert…

    Liebe Grüße
    Moni

  8. Helmut

    Ja, Hoffnung trotz allem tut gut!

    Danke, liebe Moni,
    und ganz liebe Grüße
    Helmut

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