Aus Lessings Ringparabel:

„Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Es strebe jeder von euch um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring‘ an Tag
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
Mit innigster Ergebenheit in Gott
Zu Hilf‘!“

Diese Worte sollten den jeweils gleichen Rang der Religionen verdeutlichen – versinnbildlicht durch die Ringe. Wie wäre es, wenn die Zukunft der Demokratie erforderte, dass sich Parteien mit ihren unterschiedlichen Weltanschauungen einer vergleichbaren Überprüfung unterziehen müssten? Gewiss, die Vokabel „Gott“ müsste dazu in einer säkularen Gesellschaft etwa durch „humanistische Grundüberzeugung“ ersetzt werden. Auf „humanistisch“ oder Gleichwertiges müsste man sich dabei versteifen; denn menschenfeindlicher Rassismus wäre durch Lessings Sicht gewiss ausgeschlossen. Die AfD müsste also zu beweisen suchen, dass ihre Werte nicht auf deutschstämmige Menschen oder sonst eine Einzelgruppierung einer Gesellschaftsschicht allein zugeschnitten, sondern auf alle Menschen anwendbar wären. Die anderen Parteien natürlich auch. Eine derart ausgerichtete Meinungsbildung und von ihr getragene Politik könnte der Demokratie eine ganz neue Strahlkraft verleihen. Nicht die Macht des Stärkeren, nicht einmal die Stärke einer Mehrheit wäre dann für demokratische Entscheidungen ausschlaggebend, sondern der Nachweis einer Beschlussfassung im Sinne einer „von Vorurteilen freien Liebe“. Lessing könnte dazu Nachhilfe geben – so wie er es bei der Einschätzung von Religionen auch noch heute tun muss.