Lyrisches von Helmut Maier

Monat: Januar 2008 (Seite 1 von 2)

Lichtmess

Das letzte Warten hat begonnen.
Den Atem eines Neuen spür’ ich schon.
Er schlüpft in alle Poren,
begeistert Haut und Haare,
erwärmt das Innerste,
lässt neue Träume keimen
und neue Verse,
die das Licht schon spüren,
das sich in aller Heimlichkeit
ins Tagewerk einschleicht
und plötzlich strahlend scheint,
als wäre immer es gewesen.

Das letzte Warten,
das ist eins des Hoffens
auf ganz gewiss Erwartetes,
auf Schlüsselblumen, Lämmerhüpfen,
auf Maienduft, auf grünend
stetes Wachsen, auf Kraft
des Aufstehns und Inangriffnehmens.

Und letztes Warten ist es nur
im Wissen um ein Wiederkehrendes,
das keinen Leerlauf meint,
kein Hecheln hinter unerfüllter
und hemmend hinkend machender
und träge Dämmerung befördernder
Anford’rung her.
Befreit gebunden an das Leben,
ganz ungebunden an den Todeswillen,
geborgen in dem Glauben an
die glaubenlose Zuversicht
des sprühend in das Morgen Tanzens
im heutigen Genuss
des Kreisedrehens
und des Kreischens.

So lasst ein Lichtlein uns entzünden
und leuchten in die starren Räume.
So lasst uns ruhen in dem Dunkel,
dem immer neu das Licht
den Platz einräumt,
um neue Kraft zu schöpfen.
So lasst das Leben uns erneuen.

Abendschein

Das Warten auf das Neue
im Abendsonnengold,
auf neuen Tag, ja auch,
doch auch auf Träume,
auf neue Deutung des Gewesenen.

Komplementäres Grau
zum goldnen Glanz:
Schattierungen, in denen
Konturen wachsen,
die im Ruhen
sich ausbauen
zu den Modellen,
die uns tragen
und unser Hoffen.

Was an dem Tag geworden,
recht sichtbar wird es erst
im ahnenden Zerfließen.

Vergänglich blieb nur das Septemberregime

Der Züriputsch wird vor mir lebendig:
Sturz der liberalen, Regeneration
vertretenden Kantonalregierung.
Zu ihm geführt hat der Straussenhandel
um David Friedrich Strauß,
meinen Landsmann, einen Tübinger
Stiftler und Lehrer, in Berlin
Schüler von Hegel, meinem Landsmann,
einem Stuttgarter wie ich.
Straußens Geburt vor zweihundert
Jahren in Ludwigsburg
gedenkt meine Zeitung heute,
dessen, der das „Leben Jesu“ verfasste.
„Recht und Grenze der Bibelkritik“
nannte ich einst meine schriftliche Prüfungsarbeit,
um Lehrer zu werden, in der ich
den aktuellen Streit der Pietisten in
meinem Land gegen die Bibelkritik
beleuchtete, die ohne Straußens Buch
so nicht denkbar gewesen wäre.
Ohne Lessing mit seinem Goezestreit
um Reimarus wäre das hinwieder
vielleicht ja nicht entstanden,
genauso wie meine bescheidene
Arbeit im Fach Religion.

Und ‚Putsch‘ im gesamten deutschen
Sprachraum und darüber hinaus
verbreitet als Wort –
ohne den Händel um Strauß
gäbe es das vielleicht nicht.

Wie doch ungewollt
zusammenhängt
eins mit dem andern.

Abmeldung

Hallo,

Ich mache (wahrscheinlich eine Woche lang) Blogpause wegen ‚verschärftem‘ Opadienst bei meiner Enkelin Eva. Ich freue mich sehr auf diese Zeit. In meinem Blogroll findet sich sicher etwas, was die Lektüre auf meinem Blog ersetzt.

Liebe Grüße an alle LeserInnen und Leser                                                                                                                        Helmut

Die Himmelsregisseurin

Einen spektakulären Tusch
gibt die kaum erschienene Schöne.
Nicht zu viel verspricht sie,
nichts weniger
als den Tag der Tat.
Ergötzung als Kraftschub bietet sie
den der Nacht früh Entstiegenen.

Die Melancholie dieser Nacht
steigert sie in Melodramatik.
Sie zieht die Fäden.
Sie führt Regie.
Ist nicht dienstbar dem Mond,
noch der Sonne.

Die himmlische Schöne selber
lässt klingen den Dreiklang,
den von Rosee dominierten.
Die blauschwarzen Berge,
die glühenden Wolkenschimmer,
das platinprangende Goldrot
des Himmelsblaus:
Sie scheint diese Komposition
für Ewigkeiten zu bannen.
Und ist doch so flüchtig,
entwindet sich ungesehen
dem haschenden Zugriff.

Oh Tochter der Theia,
Du teure; für immer
bildest den Hintergrund Du
unsrer Seele.

Eos, aurora, aurore, dawn of day,
Morgenröte,
Du köstliche Perle.

zum trotz

sich im kreis drehen
als ob es darum ginge
auf der stelle
zu treten auf die
ausgelatschten spuren der
befehle sich verlassen
verlassen vom eigenen
antrieb und gebunden
an versagungsängste
die morgenröte erneuert
das ritual eines versagenlosen
neubeginns zusagen annehmen
heißt kreise zu ziehen
um das kraftfeld

Nachtgestirn

Schwebend auf dem Moospolster,
das Du gekost,
in die Räume
zwischen Sein und Sendung
gehoben,
zerfließe ich
in Deinem milden Glanz.

Deine Hörner
teilen die Zeit,
Blutfluss und Meeresflut
gehorchen in Ehrfurcht
Deinem Gebieten.
Du gibst die Fülle
bekannt und
die heilige Leere.

Schwebend zwischen den Welten
Dein Silber,
spottend des Goldes,
des verführerischen;
weich sind und kühl
Deine gesponnenen Fäden.
Du kennst das Schicksal
und stellst es hinein
in die Sterne.

Selene, luna, la lune,
moon, lieber Mond.

Ein Gespräch mit Horst-Eberhard Richter – Hinweis auf EZ von heute

Ein herausragendes Gespräch mit dem großartigen Horst-Eberhard Richter, einem der ganz Großen der Friedensbewegung fand ich heute in der Esslinger Zeitung hier. Darin prangert er die Sprachtechnik des Verteidigungsministers an, „die dem Soldaten pausenlos in den Kopf hämmert: Du bist ja nur dazu da, um die anderen nicht im Regen stehen zu lassen … Es wäre gemein, wenn wir Deutschen jetzt nicht den anderen Nato-Soldaten helfen würden.“ Und weiter: „Es gibt eine karitative, moralisierende Logik, in der das Töten und das Schießen umgekehrt werden zu einer guten, sozialen Tat.“

So etwas liest man in der EZ leider selten. Sei’s drum. Heute will ich sie ausdrücklich loben.

14.1.08: Übrigens: Vielleicht hilft jemandem zur weiteren Information bzw. Aktivität dieser Link zu der Ankündigung einer in Aachen stattfindenden Afghanistan-Konferenz der Friedensbewegung.

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