Als ich Andrea Kuritko 2012 in Leipzig auf der Buchmesse traf, hatte ich keine Ahnung, welche Bedeutung Leipzig in ihrem Leben hatte – dass Leipzig sozusagen eine Metapher für die wundersame „Wiedervereinigung“ der Deutschen für sie war. Das erfuhr ich erst durch ihr Buch „Sex, Drugs & Broiler“. Oder war es eher eine Metapher für die Erfahrung eines Umbruchs im Zeichen neoliberalen Expansionstriebs nach dem Fall der Mauer?

Diese Frage zu beantworten ist die Aufgabe, d.ie uns Andrea Kuritko vielleicht unbewusst aufgetragen hat. Sie hat sie mit so viel Feuer und Witz garniert, dass es eine Freude ist, das Buch zu lesen. Die Freude wird auch nicht getrübt durch die Tiefen menschlichen Daseins, die sie schildert: Männer, die so tief sinken, indem sie sich als überlegen fühlen und gerieren. Die Überlebenden dagegen einer von einer eigentlich humanistisch gesinnten Elite errichteten Staatlichkeit, die zur Diktatur degenerierte, deren Überlebende also, die aufs Neue – und teilweise schlimmer – untergebuttert werden. Schlimmer, weil die Demokratie nun in kapitalistischem Kleid auftritt und sich als Befreierin selbst derer aufspielt, die in dem überwundenen Regime besser zurechtkamen als im neuen.

Wie erwähnt: Der Witz und die Erzählfreude lassen das auf weite Strecken vergessen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass hier eine Frau erzählt, die als Beobachterin in diesem Spiel mehr als in die Dinge Verwickelte alles wie in kindlicher Unschuld erlebt und sich nicht korrumpieren lässt und nur staunen kann, wozu Menschen fähig und verführbar sind.

Dass es Männer sind, die in so einer alle Chancen zu eröffnen scheinenden Umbruchszeit von dem „Virus der grenzenlosen Freiheit, weit weg von Mutti und den Bälgern, weg von Spießigkeit, Alltag und Langeweile“ befallen wurden, darf in einer neoliberalen Gesellschaft nicht verwundern. Dass die Autorin sieht, dass „alle, restlos alle, mit denen ich damals zu tun hatte, … infiziert“ wurden und „in das atemberaubende, scheinbar zügellose, Nachtleben von Leipzig ein“tauchten, beweist, dass der Firnis über der Kultur heutiger Demokratien – aus denen sie ja kamen – nur hauchdünn ist und in einer Umbruchszeit nichts mehr zusammenhält. Das zu erkennen könnte uns helfen, eine neue Gesellschaft anzustreben, in der wirklich Gerechtigkeit lebt.