Lyrisches von Helmut Maier

Kain

Und willst Du nicht mein Diener sein,
dann schlag ich Dir den Schädel ein.
Ich tu’s vielleicht nur metaphorisch,
jedoch nicht minder effektorisch.

Über deine Verhältnisse lebst du;
da lass ich dich doch nicht in Ruh.
So sag ich schnell um Recht zu haben
und preise meine Rednergaben.

Oder ich nenn dich Kommunist,
der noch die Diktatur vermisst.
Da kann ich leicht dich richtig schneiden:
Du bist der Dümm’re von uns beiden.

Und nenne ich dich Terrorist –
Ob du das sicherlich auch bist,
das muss ich weiter nicht beweisen.
Jeder Esel lässt sich so abspeisen.

Und geht es wirklich dann um Geld,
ist’s um Ressourcen schlecht bestellt,
lass ich auch die Metapher weg
und schmeiß dich richtig in den Dreck.

Und Krieg ist dann, man kann es sehn,
ja keiner, wenn man’s so will drehn.
Und in der allergrößten Not
ist Krieg der Stunde doch Gebot.

18 Kommentare

  1. Moni

    Lieber Helmut,

    ob Metapher oder nicht…
    Dein Gedicht ist super.
    Und der letzte Vers – wie wahr!

    Vielleicht doch tatsächlich: „verlassen die Ratten das sinkende Schiff“ (egal wie es heißt) und bringen wenigstens i h r Schäfchen ins Trockene.

    Und dann noch das öde Wetter…

    Trotzdem liebe Grüße an Dich!
    Moni

  2. Bea

    Abel steh auf

    Es musste neu gespielt werden
    Täglich muss es neu gespielt werden
    Täglich muss die Antwort noch vor uns sein

    Die Antwort muss ja sein können
    wenn Du nicht aufstehst Abel
    wie soll die Antwort
    diese einzig wichtige Antwort
    sich je verändern
    wir können alle Kirchen schließen
    und alle Gesetzbücher abschaffen
    in allen Sprachen der Erde
    wenn du nur aufstehst
    und es rückgängig machst
    die erste falsche Antwort
    auf die einzige Frage
    auf die es ankommt
    steh auf
    damit Kain sagt
    damit er es sagen kann
    Ich bin dein Hüter
    Bruder
    Wie sollte ich nicht dein Hüter sein
    Täglich steh auf
    damit wir es vor uns haben
    Dies Ja ich bin hier
    Ich
    dein Bruder

    Damit die Kinder Abels
    Sich nicht mehr fürchten
    weil Kain nicht Kain wird
    Ich schreibe dies
    ich ein Kind Abels
    und fürchte mich täglich
    vor der Antwort
    die Luft in meiner Lunge wird weniger
    wie ich auf die Antwort warte

    Abel steh auf
    damit es anders anfängt
    zwischen uns allen

    Die Feuer die brennen
    das Feuer das brennt auf der Erde
    Soll das Feuer von Abel sein

    Und am Schwanz der Raketen
    sollen die Feuer von Abel sein

    Hilde Domin: Aus der Sammlung: „Ich will dich“
    (S.170-171)

  3. Helmut

    Ich danke Dir, liebe Moni. Das Wetter ist ja übrigens noch immer erträglich im Vergleich zu der unerträglichen Rechtfertigung der Ausübung von Kain-Qualitäten (die dann auch noch scheinheilig zurückgezogen wird!!!)

    Ganz herzliche Grüße
    Helmut

  4. Helmut

    Auch Dir lieben Dank, Bea. Besonders für den Hinweis auf Hilde Domins Gedicht.
    Mein Lyrik-Ich spricht allerdings dafür, dass wir sowohl Abels als auch Kains Kinder sind (obwohl das in unserer ‚Realität‘ gar nicht möglich zu sein scheint).

    Herzliche Grüße
    Helmut

  5. Paul Spinger

    Um in Deinem Bild zu bleiben: Abel hatte keine Kinder, also stammen wir alle von Kain ab, tragen das Kainsmal auf der Stirn, damit uns niemand erschlage, wie wir unseren Bruder erschlagen haben.

  6. Helmut

    Danke, lieber Paul. Ob wir aber nicht doch im symbolischen Sinn zusätzlich Abels Kinder sein können?
    „Wessen Hündchen sind wir“ habe ich deswegen in meinem Gedicht „Deutsches Stirb-und-werde“ von (spätestens) 2005 gefragt.

    Liebe Grüße
    Helmut

  7. Paul Spinger

    Kein Widerspruch. – Ich sehe das etwa so, wie es John Steinbeck in seinem Roman „Jenseits von Eden“ den Samuel Hamilton sagen lässt.
    Liebe Grüße

  8. Helmut

    Danke, lieber Paul. Nun bin ich allerdings nicht ganz so belesen … 😉

    Liebe Grüße
    Helmut

  9. ELsa

    Lieber Helmut,

    wir alle tragen den Schatten, das Kains Zeichen, aber auch das Licht (Abel?) in uns. Dein Gedicht ist toll!

    Liebe Grüße
    ELsa

  10. Helmut

    Danke für Dein freundliches Lob, liebe Elsa. Vielleicht müssen wir uns endlich mal entscheiden?

    Liebe Grüße
    Helmut

  11. Gedankenpflug

    So ist es. Aber warum? Weil sich die Menschen von ‚Gott‘ verstoßen fühlen (Kain-Motiv)? – Tolles Gedicht!

  12. Helmut

    Ich denke, das Streben nach Besitzstandswahrung ist das zentrale Problem jeder Gesellschaft, ob national oder global, wenn es darum geht, Gerechtigkeit zuzulassen. Wer Gerechtigkeit von reicheren Schichten/Völkern einfordert, ist da moralisch besser dran als wer Gerechtigkeit fürchtet, weil sie Verlust an Besitzstand erwarten lässt. Viele Menschen/Völker sitzen da zwischen den Stühlen, sind also sowohl in der Position von Kain und Abel, fühlen sich also sowohl bedroht von den Ärmeren als auch übervorteilt von den Reicheren. Wenn man das als ‚Verstoßensein von Gott‘ im Sinne Kains bezeichnen will …

    Vielen Dank, lieber Matthias, dass Du mich zu diesen Gedanken angeregt hast,

    und liebe Grüße
    Helmut

  13. Quer

    Ach, diese unseligen Brüder damals und jetzt:
    Das Wort M I S E R A B E L muss von Kain sein …

    Danke für die Denkanregung.

    Gruss, Brigitte

  14. Helmut

    Der eine ist miserabel, dem andern geht’s miserabel: patriarchale Doppeldeutigkeit!

    Danke, liebe Brigitte,
    und herzlichen Gruß
    Helmut

  15. Gedankenpflug

    @Helmut: Ja, man könnte vielleicht sagen: Die einen töten, um ihren Besitz zu wahren, die anderen, um ihn zu erlangen.

  16. Helmut

    Das wäre vielleicht etwas zu speziell, lieber Matthias. Vielleicht so: Die einen bekämpfen die andern, weil sie etwas verteidigen wollen (z.B. ihren Besitz), die andern bekämpfen jemand, um etwas zu bekommen. Dabei sind die einen und die andern oft identisch.

    Liebe Grüße
    Helmut

  17. ahora

    Irgendwo, lieber Helmut, irgendwo treffen sich die Beiden auch in uns. Sie wissend ertragen und nachsichtig handeln uns und anderen gegenüber.

    Liebe Grüße
    Barbara

  18. Helmut

    Aber nicht so nachsichtig, dass wir alles Unrecht dulden, nicht wahr, liebe Barbara?

    Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße
    Helmut

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